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«Wir dürfen niemals aufgeben, zusätzliche Mittel zu finden»

Seit Anfang Jahr ist Mark Rubin der neue Präsident der Wissenschaftlichen Kommission. Er bedauert, dass nicht alle guten Forschungsgesuche finanziert werden können. Deshalb ist er hoch motiviert, seine Erfahrungen mit kreativen Spendensammlungen aus den USA auch in der Schweiz zum Tragen zu bringen.

Mark Rubin, was hat Sie bewogen, sich für das Präsidium der Wissenschaftlichen Kommission zu bewerben?
Ich kenne die gemeinsame Forschungsförderung der Krebsliga Schweiz und der Stiftung Krebsforschung Schweiz seit vielen Jahren. Schon als ich noch in den USA forschte, habe ich für die beiden Organisationen Projekte begutachtet. Kurz nachdem ich in die Schweiz gekommen bin, wurde ich dann Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission. Ich habe mir gedacht, am besten übernimmt jemand aus dieser Gruppe, der schon mit den Regeln und Prozessen vertraut ist, um die ausgezeichnete Arbeit meiner Vorgängerin Nancy Hynes fortzuführen – und weiterhin die besten und aussichtsreichsten Forschungsprojekte auszuwählen. Dabei ist es für mich extrem wichtig, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei uns ihre Gesuche einreichen, faire und hilfreiche Bewertungen zukommen zu lassen.

Das tönt nach grosser Kontinuität. Wo wollen Sie neue Akzente setzen?
Ich denke da vor allem an zwei Dinge. Erstens: Wir erhalten viele sehr gute Forschungsgesuche. Doch leider können wir nicht alle davon finanzieren, weil uns die Mittel fehlen. Deshalb bin ich hoch motiviert, mehr Gelder zu sammeln. Ich habe in den USA, wo sich viele reiche Menschen finanziell an der Krebsforschung beteiligen, sehr gute Erfahrungen mit kreativen Spendensammlungen und mit Grossspenden gemacht. Natürlich läuft in der Schweiz vieles anders, trotzdem lassen sich vielleicht einige Dinge übertragen. Wir sollten sie jedenfalls ausprobieren, denn wir dürfen niemals aufgeben, zusätzliche Mittel zu finden, um weitere Fortschritte in der Krebsforschung zu ermöglichen, damit wir Krebs in Zukunft besser vorbeugen, behandeln oder sogar heilen können.

Und zweitens?
Weil wir nicht alle guten Projekte finanzieren können, müssen wir stärker priorisieren und zum Beispiel ein besonderes Augenmerk auf junge Forschende richten: Denn sie stehen am Anfang ihrer Karriere – und müssen sehr grosse Hürden überwinden, um ihre eigenen Projekte zu starten. Für sie ist es deshalb besonders wichtig, dass sie erste Forschungsgelder bekommen. Aus diesem Grund möchte ich anregen, die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu stärken. Ich denke, dass es auch für viele potentielle Spenderinnen und Spender attraktiv ist, nicht nur vielversprechende Forschungsprojekte zu unterstützen, sondern insbesondere auch die jungen Talente, die diese Projekte vorantreiben.

Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial?
Die Krebsforschung und die Behandlung haben in den letzten Jahrzehnten riesige Fortschritte erzielt – und sich dadurch auch stark verändert. Dabei gewinnt das Erkennen von Krankheitszeichen, von so genannten Biomarkern, beispielsweise im Blut zusehends an Bedeutung. Ich finde das sehr wichtig, denn Biomarker können uns helfen, so früh wie möglich festzustellen, ob jemand Krebs hat. Gleichzeitig helfen sie uns auch, vorherzusagen, welches die beste Behandlung ist. In diesem Bereich gibt es noch viel zu entdecken.

Und wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Es sind sehr aufregende Zeiten für die Krebsbekämpfung. Wir können heute vielen Menschen helfen, gegen deren Erkrankungen wir noch vor wenigen Jahren nichts unternehmen konnten. Aber mit diesen wichtigen Erfolgen geht leider auch eine andere Entwicklung einher: Viel zu oft kehrt eine Krebserkrankung wieder zurück, weil sie eine Resistenz gegen die Behandlung entwickelt. Wir müssen uns deshalb in Zukunft auch verstärkt mit der Frage befassen, wie sich solche Resistenzmechanismen verhindern – oder überwinden – lassen. Ausserdem: Aufgrund der vielen erfreulichen Erfolge hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck durchgesetzt, dass Krebs behandelbar geworden ist. Glücklicherweise stimmt das auch in vielen Fällen. Doch die Gesellschaft muss auch wissen: nicht in allen Fällen. Es gibt immer noch Krebsarten, bei denen wir leider kaum Fortschritte gemacht haben. Hier sind Strategien gefragt, um sicherzustellen, dass wir vor diesen schwierigen Erkrankungen nicht zurückschrecken, sondern auch hier unaufhörlich nach Verbesserungen suchen.

Pionier der personalisierten Onkologie
Mark Rubin hat an der Mount Sinai School of Medicine in New York studiert und sich zuerst als Chirurg und später als Pathologe auf Prostatakrebs spezialisiert. Nach Aufenthalten an der University of Michigan und dem Brigham and Women’s Hospital der Harvard Medical School in Boston wurde Rubin 2007 als Pathologie-Professor an die Weill Cornell Medicine in New York berufen, wo er ab 2013 das Englander Institute for Precision Medicine aufbaute und als Gründungsdirektor leitete. Dann folgte 2017 der Wechsel an die Universität und das Inselspital in Bern, wo er sowohl das Department for Biomedical Research wie auch das Bern Center for Precision Medicine leitet. «Nach vielen Jahren in der Klinik hat sich meine Tätigkeit immer stärker auf die Forschung im Labor verlagert. Aber ich habe nie vergessen, wie wichtig es für die Patientinnen und Patienten ist, die noch offenen Wissenslücken zu schliessen», sagt Rubin. «Ich will Therapien für Menschen finden, für die es aktuell noch keine Behandlungsoptionen gibt.»